#WorkSmart: Um was geht es? Um Arbeit oder den Mensch? Mehr Erfolg oder Sein?

WorkSmart wird seit 2016 gross geschrieben. Doch was meinen wir damit? Geht es um die Arbeit? Darum, mit neuen Arbeitsmodellen glücklicher und erfolgreicher zu werden? Denn die traditionelle Vorstellung, dass Erfolg glücklich macht, ist noch immer stark verbreitet ist. Ein paar neue Gedanken zu einer uralten Frage von Remo Rusca.

Glück, Happiness oder subjektives Wohlbefinden ist nicht genau das Gleiche. In der deutschen Sprache gibt es einzig das Wort Glück. Im Englischen wäre die direkte Übersetzung «Luck». Es geht dabei um das subjektive Wohlbefinden, was mittlerweile weltweit – auch im deutschen Kulturraum – mit dem Wort Happiness umschrieben wird. Zurück zur Frage, ob Erfolg glücklich macht. 2009 haben Lyubomirsky & Sin in einer Metastudie an der Universität Harvard und in vielen weiteren Studien die Fakten dazu publiziert. Sie haben auf Basis von 225 Studien aus 35 Jahren widerlegt, dass Erfolg zu Glück führt, sondern dass es umgekehrt ist: Glückliche Mitarbeiter sind erfolgreicher (31 Prozent produktiver, verkaufen 37 Prozent mehr und sind 3x kreativer). Lyubomirsky's Kollege Shawn Achor hat den Bogen zu positiver Führung gezogen und zeigt, dass dies im Bereich der Führung äusserst bedeutend ist. Denn unser Gehirn ist so ausgelegt, dass wir in vielen Fällen von Vorbildern lernen oder abschauen, teils bewusst, aber viel auch unbewusst. Unser Gehirn verarbeitet nur 0,004 Prozent der Impulse bewusst. Zudem bestätigt eine Doppelstudie mit rund 700 Menschen aus allen Sozialisierungsstufen, dass wir Menschen soziale Wesen sind. Denn ob jemand unter der Brücke schläft oder Präsident wird, ist im Langzeitvergleich der Grant-und-Glück-Study aus Harvard nicht annähernd so bedeutend, wie die Qualität der Beziehungen. Der Ted-Talk des Studienleiters vertieft diese Fakten. Daher ist bedeutend, dass wir Menschen seit ein paar Jahren wissen, dass unser Hirn plastisch und zu jedem Zeitpunkt veränderbar ist.

Neurobiologisch wollen wir über uns hinauswachsen, aber gleichzeitig auch verbunden sein. Dieser Zielkonflikt zeichnet uns biologisch aus und unterscheidet uns von anderen artverwandten Lebewesen. Happiness oder eben dieses subjektive Wohlbefinden ist von drei Faktoren abhängig: Erstens die Gene, zweitens die Lebenserfahrungen und drittens die innere Einstellung. Die äusseren Faktoren wie Haus, Auto, etc. spielen eine sehr bescheidene Rolle. Die innere Einstellung wird daher vielfach unterschätzt, ist aber bedeutend. Erfahrungen aus dem Unternehmenskontext zeigen, dass im Kontext der Kultur die Themen Verbundenheit, Beziehungen und Vertrauen entscheidend sind. Aber leider wird diesen Erkenntnissen im medialen und politischen Diskurs noch viel zu wenig Bedeutung zu getragen. In der wirtschaftlichen Arena gibt es mittlerweile Pioniere, aber bei vielen Unternehmen sind diese Themen noch nicht angekommen, weshalb Reorganisationen vielfach Angst auslösen und Stress verursachen. Das müsste nicht sein.

Zwei Herausforderungen, die Unternehmen beeinflussen können

Zum einen beklagen wir in Unternehmen mittlerweile 84% tief engagierte Mitarbeiter. Dies zeigen Daten aus dem World-Poll von Gallup, die u.a. im World Happiness Report zusammengefasst sind. Mit 16% aktiv Engagierten lassen sich Innovationen und Neues nicht wie nötig verankern. Zum anderen ist da ein gesellschaftliches Problem: Von rund 36 Mrd. CHF*, die wir pro Jahr in Bildung investieren, um qualifizierte Mitarbeiter auszubilden, fliessen rund 10 Mrd. in Form von Stressfolgekosten wieder ab ans Gesundheitswesen. Stress kann sowohl positive als auch negative Effekte haben. Die Psychologin Kelly McGonigall aber auch der Neurobiologe Prof. Dr. Tobias Esch (u.a. in seinem aktuellen Buch “Der Selbstheilungscode - Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit”) zeigen eindrücklich, dass die Einstellung zu Stress eine wichtige Katalysatorfunktion hat. Sprich unser Gehirn kann durchaus unterscheiden, ob wir etwas tun, dass uns wichtig ist oder ob wir uns im Übermass bei der Arbeit eigenen oder fremden Belastungen aussetzen.

Was uns wieder zu den tiefen Engagement-Werten bringt. Diese werden an der Bindung zur Organisation und der Tätigkeit festgemacht. Eine ganze Wissenschaft hat sich im Kontext von Vertrauensfragen und positiver Psychologie gebildet, um diese Themen besser zu verstehen. Fakt ist aber, dass wir heute bereits 1.3 Mio Schweizerinnen und Schweizer beklagen, die sich im kritischen Stresslevel befinden und erschöpft sind. Davon sind überproportional Menschen betroffen, die zu den Hingebungsvollen („the dedicated“) und Überidentifizierten („the committed“) gehören. Ausgerechnet diejenigen, welche eigentlich die Prägung mitbringen, um sich für die Organisation zu engagieren. Wenn diese Menschen aber auf ein ungesundes Arbeitsumfeld stossen, ist es abhängig von den individuellen Prägungen, ob sie mutig das krankmachende Umfeld verlassen oder für Arbeitgeber und Gesundheitswesen ungewollt Kosten verursachen. Die positive Entwicklung daraus ist, dass sich zusehends neue Arbeitskulturen etablieren, die ich im Rahmen von diversen Auftritten (u.a. am Mentoring Kick-off der Universität St. Gallen oder als Gastdozent an Fachhochschulen) mit einem Zitat von Arianna Huffington zur Beziehung der „time famine“ (Zeitmangel für das ausbalancierte Leben) zur „time affluence“ (Genuss der materiellen Errungenschaften) untermauere.

Die Antwort: Haltung zur nachhaltigen Unternehmensführung

Wenn Führungskräfte mit ihren Unternehmen eine Haltung zu Gunsten eines gesunden Engagements und vorgelebten Werten, die den Mitarbeitern wichtig sind, einnehmen, verwandelt sich der Teufelskreislauf in eine positive Wendeltreppe. Diese führt bildlich gesprochen in einem Leuchtturm ganz nach oben, von wo aus die Kultur ausstrahlen kann. Dazu hat Alex Edmans (Professor für Finance an der London Business School) auch unlängst auf Basis von Aktienkursdaten aus 26 Jahren bewiesen, dass diejenigen Unternehmen mit der höchsten Mitarbeiterzufriedenheit eine Mehrperformance zwischen 2,3 und 3,8% pro Jahr im Vergleich zum Marktindex erzielen. Bei der Weiterentwicklung einer bestehenden Unternehmenskultur helfen drei Dinge:

  • Eine Haltung zur positiven Führung mit Werteorientierung und Happiness innerhalb der Organisation etablieren, um die 5,6 Mrd. CHF**, die Unternehmen aus dem Phänomen Stress selber tragen, zu reduzieren.
  • Die Haltung zur Zusammenarbeit, die neue Arbeitsräume und -felder, wie urbane Coworkings oder dezentrale VillageOffice (z.B. das Macherzentrum), den Unternehmen nicht nur neue Kulturimpulse im Bereich Führung, Vertrauen und Gesundheit geben, sondern auch unterstützen, fixe Arbeitsplatzkosten zu flexibilisieren.
  • Moderne, flexible Arbeitsmodelle: Denn Stressoren entstehen nicht nur innerhalb der Organisation, sondern auch auf dem Arbeitsweg. Und dieser steigt stetig. Im Jahr 2000 waren es noch 12,9 km und heute sind es bereits 14,5 km. Dabei kann nicht nur das krankmachende Pendeln (letzte Studien sagen, dass dies ab 50min pro Weg der Fall ist) reduzieren, auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann gestärkt werden. Darüber hinaus leisten mobil und dezentral arbeitende Mitarbeiter einen wirtschaftlichen Beitrag zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und des Gewerbes. Aber vor allem dann, wenn sie sich in Gemeinschaften organisieren, die Coworking bieten. Die Balance zwischen individuellen Ressourcen und Belastungen ist eine grosse Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft.